Hier einige Auszüge aus den
Berichten über das Leben auf der Brigg Roald Amundsen (aus
www.sailtraining.de):
Tagesbericht 05.12.2004
Nach einem gelungenen Segelsamstag mit fast Vollzeug und
sieben Knoten in der heissen Sonne Afrikas haben wir einen Anker geschmissen
vor der erquicklichen nächtlichen Kulisse von Los Christianos.
Flottes Nachtpacken des "Vollzeugs" durch Trainees. Von Oben:
"Aahn Deck!" Von Deck."Ja, was willst Du, spucke bloß nicht runter, dann
spucke ich zurück!" .
Kam vor einigen Tagen ein Steuermann von der Lord Nelson zu
Besuch, sieht unsere Navi, und sagt ." Oh. Well its very......compact! "
Das Salz in der Suppe versüsst des Seefahrers Leben.
Vertausche das Salz mit Zucker in einer Suppe: kein Problem. Die
kristallinen Hauptnahrungsergänzungen (vulgo:Salz und Zucker)sind in
baugleichen Behältern und mit verwischter Schrift, sehen gleich aus. Und
Jawohl. Sohne Dreifachrezeptansatz, wo 600 gramm Zucker für einen netten
Apfelkuchen angedacht waren, wird dieses Verwechslungsmanoever zum Desaster.
Rettungsaktion eingeleitet.
Lord Nelson würde sagen. "Oh ! Well, its very.....spicy!" Antwort der Crew
." You can say, very salty." Aber unser Keptin Klaus sagt, dass er sich an
alles gewöhnen kann, am Dativ und an würzigen Kuchen in der Adventszeit. Wer
den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen, deshalb hat der
Bäcker den Bericht lieber gleich selbst geschrieben.
Die Zeichnerei kommt voran. Einige wollen Schreiben.
Unvermittelt sieht man in irgendwelchen Schiffsecken fleißige flüssige
Handbewegungen über Papier. Schrift oder Kunstkringel?
Nach dem Ankern noch mal ein "All Hands" zur
Quantumszuteilung des Glühweins. Anordnung war, zur Hebung der Adventsfreude
max. ein Becher Glühwein pro Sailor. Das heißt, Rotwein bei dreissig Grad.
Am Sonntag werden wir mit unserem Liebsten fein segeln gehen. Die Lappen
kommen hoch aber vom Plan an der Westküste von Teneriffa nach Norden
hochzulaufen unter Motor, um dann nach Westen La Palma anzulaufen wird bis
jetzt nicht viel. Der Wind tut was er will, jaja, die Männer!
Tschjauw, S.
Tagesbericht 05.10.2004
Heute hieß es früh aufstehen. Allgemeines Wecken wurde um
05:30 angesagt. Punkt um 06:00 war der Lotse an Bord, der uns zur Schleuse
Brunsbüttel führte.
Nach der Schleusung ging es Elbe abwärts. Das ablaufende Wasser brachte uns
relativ schnell an Cuxhaven vorbei in die Nordsee.
Nachmittag, wurde Segel gesetzt und nach Norden an Helgoland
vorbei gesegelt.
Einigen bekamen die „Nordseewellen“ nicht sehr gut, aber in Allgemeinen sind
alle zufrieden mit dem ruhigen Segeltag.
Hugo (Stm)
L. von
der 3. Wache berichtet:
Wenn die Sonne durchbricht, wird sogar die Nordsee grün und
glitzert. Die Wellen planschen dann noch ein bisschen höher um auch was
davon abzukriegen und die Roald tanzt mit.
Heute braucht man nicht mehr ganz so viel Einbildungskraft um ein bisschen
seekrank zu werden und Einige nutzen die Gelegenheit.
Mein Lieblingsplätzchen ist denn gerade auch eher meine Koje.
Dort gibt es ein kleines, weißes Bullauge ziemlich knapp über der
Wasserlinie, dem das blaugrüne Wasser dahinter ganz vorzüglich steht. Es ist
gleichermaßen spannend und beruhigend diesem ausgeschnittenen Stück
Wellenlandschaft zuzusehen, wenn sich ein Wasserberg nach dem Anderen
auftürmt und vorbeizieht und ganz weit hinten der Horizont langsam auf- und
abtaucht.
Mein Lieblingsplatz ist es aber darum, weil ab und zu – und darauf lauere
ich die ganze Zeit - eine Welle ganz plötzlich ( man sieht sie nie
herankommen) über das Bullauge schwappt und unsere Kammer vollständig in ein
meergrünes Licht taucht. Einen Lidschlag lang sieht man durch das Bulleye.
Leider liegt meine Koje nach Backbord. Läge sie nämlich an Steuerbord könnte
ich auch noch Helgoland vom Bett aus sehen, denn wir dümpeln schon fast den
ganzen Tag vor der Insel, die tatsächlich wie ein Stückchen Rötelkreide im
Meer liegt, ich sehe das ja heute wirklich zum ersten Mal und es ist
ziemlich fotogen.
Die
Maschine ist aus und wir haben sieben Segel gesetzt, aber es gibt immer
weniger Wind und bis eben hatten wir durch die Flut eine gegenläufige
Wasserströmung, die uns ausbremste. Nun setzt aber wieder Ebbe ein und zieht
uns mit, so dass wir Fahrt aufnehmen werden – hat der Kapitän gesagt.
09.10.2004 Trainees J. und G. schreiben zum
Abschied:
Die Fahrt von Eckernförde nach Amsterdam
oder „DER GROßE BLAUE SCHRANK“:
Gerade in Eckernförde angekommen, noch in
innerem Frieden und Gleichgewicht mit uns und unseren Mägen, voller
Zuversicht auch auf gutes Essen und schöne Segelerfahrungen, kletterten wir
ins Rigg, denkend, dass dies schon die größte Überwindung dieser Reise sein
würde. Weit gefehlt: Wir, J. und G. waren gemeinsam untergebracht in der
legendären Kabine 8, von der auf dieser Reise beinahe die Meuterei
ausgegangen wäre.
Unsere Zimmerkameraden waren der See- erfahrene, liebenswerte und
unermüdliche P. und A. aus Bayern, der die Tour von seinen Mitarbeitern,
sozusagen als Strafversetzung ungefragt geschenkt bekam: „Seit 3 Tagen
versuche ich, die Sache positiv zu sehen.“
Wir beide wurden mit anderen in die
sogenannte Hundewache (0-4 Uhr, 12-16 Uhr) eingeteilt. Unser Topgast Alex
begleitete uns dabei mit seiner Spezialuhr und freundlicher Anleitung durch
die Wachen. Friedlich ging es durch den Kanal mit Lögeln und Dehn- und
Kletterübungen im Rigg bei zunehmendem Wind. Das ganze Elend begann mit dem
Wachantritt nachts 0 Uhr vor Helgoland. Nachdem ich schwankend an Deck
erschien, fühlte ich mich spontan wie in einem Abenteuerfilm von Errol Flinn.
Ich, J., wurde als Rudergänger eingeteilt. Kapitän Klaus gab klare
Anweisungen: Kurs hart am Wind, Backbord Helgoland und Steuerbord die
Untiefentonne passieren lassen, aufpassen, dass das Untermarssegel vom
Fockmast nicht killt, den Kurs 125 halten, auf die Windeinfallsanzeige
achten, den Ruderlagenanzeiger im Auge behalten und das bei schwer in den
Wellen rollendem und stampfenden Schiff.
Eine kleine Herausforderung für jeden Anfänger, dessen Magen lebt. Zur
Szenerie beim halb hinter den Wolken verschwundenem fahlen Mondscheinlicht
fehlte eigentlich nur noch der Ausruf: „Piraten auf Steuerbord“. Doch dies
war nur der zugegebenermaßen sehr spannende und herausfordernde Anfang.
Die Nachtwache endete für mich frühzeitig nach 3 Stunden mit dreimaliger
Opferung an Rasmus. So beschreibt der Kapitän diesen Vorgang liebevoll. Auf
meine Nachfrage (G.) an A., wo man sich denn hier geordnet übergeben darf,
verwies dieser auf den „GROßEN BLAUEN SCHRANK“ am Heck des Schiffes.
Es gab fortan bei Windstärken zwischen 6
und 9 nur noch zwei Möglichkeiten für uns beide uns auf dem Schiff
aufzuhalten: Entweder waagerecht im Bett oder auf der Brücke. Der Weg
zwischen beiden Stationen wurde mehrmals täglich 3 Tage lang zur Odyssee:
Aufrichten im Bett mit spontan entstehendem Brechreiz, effekthaftes
Zurückfallen in die Liegelage (ach ja, Anziehen geht nur im Liegen). Eimer
greifen, Klamotten vom Haken reißen, zurück in die Waagerechte. Pause. Dann
die langen 25 Meter durchs schwankende Schiff möglichst prellungslos laufen
- Zwischenstation Messe (mit dem Becher von der Wand eine erneute
Möglichkeit sich von kleinsten Restmengen zu erleichtern)- 3 Meter Aufgang
an der Kombüse und dem angreifenden Fischgeruch vorbei, bloß raus, anziehen
draußen mit Blick auf den Horizont. Die Wache konnte beginnen. Möglichst
bald etwas essen, damit man bei Kräften bleibt und schon einiges verdaut
ist, bevor man es auf dem Rückweg wieder opfern muss.
Nicht alles war mit Überwindung verbunden:
Aus der sogenannten Hundewache wurde durch unseren liebenswerten Kapitän die
Schokoladen- oder Haribo- Wache. Heinz, unser unermüdlicher Koch, hatte auch
ein offenes Wort für vegetarische Wünsche.
Das Wecken und die Krankenversorgung konnte zu einem liebevollen Ereignis
werden: So erscheint mir zum Beispiel Lea mitten in der Nacht mit lieblicher
Stimme: „Es ist 20 Minuten vor Zwölf, herrlicher Sternenhimmel, es ist kalt,
es regnet, zieh alles an, was du hast.“
Auch sollen die schönen Ansprachen und der
Gesang des Kapitäns nicht unerwähnt bleiben.
Wer dies liest und nun meint, wir wären
durch die beschriebenen Erlebnisse von unserer Segelleidenschaft auf der
„Roald“ geheilt, muss enttäuscht werden. Wir kommen wieder!
J. und G.
Tagesbericht 24./25.10.04
Heute eine Art Zwischenbilanz.
Von Abreise Brügge / Zeebrügge am Dienstag, den 19. nachmittags bis
Donnerstag den 21.10 um 01:00 Uhr lief alles bestens. Dover , Dungeness,
Eastbourne, Beachy Head ziehen rasch an Steuerbord vorbei und wir hatten den
0°- Meridian gerade westwärts passiert, dann überfiel uns das schlechte
Wetter, 8 bis 9 bis 10 Beaufort.
Wir wurden wieder nach Ost zurückversetzt und brauchten 19 Stunden bis wir
Feuerschiff Greenwich ein zweites Mal mit Kurs West passierten, ohne eine
Meile auf die Distanz gut gemacht zu haben.
Freitag , 22.10. ca. 12 Uhr standen wir auf der Länge Needles / Cherbourg.
Von Brügge ca. 240 Seemeilen in nicht ganz 3 Tagen - seit
Donnerstag 01:00 Uhr nicht unter 7 bis 8 Windstärken aus Südwest bis West.
Bis hierher nur das „Vorprogramm“ zum ursprünglichen Törnbeginn in
Cherbourg!.
Wetterberichte und –karten aus den verschiedenen Quellen verhiessen für die
nächsten Tage alles anderes als Besserung – im Gegenteil! – Le Havre,
Cherbourg, Portland, Solent als Schutzhafen ? – weiter! durchhalten!
Samstag, . 23.10. 06:00 Uhr ca. 10 Sm südlich Start Point,
S-tart und Ziellinie der früheren Weizen- und Teeclipperrennen. Mittags
Winddreher auf WSW, immer noch mehr als 7 bis 8 Bft; 4 Std. später wieder
SSW mit zunehmender Tendenz – Falmouth, Plymouth als Schutzhafen ? - Was
bringts ? das würde uns angesichts der Mittelfristprognosen weitere Tage
Rückstand kosten. Und 7 bis 8 Bft, in Schauerböen 9 + - das sind wir
inzwischen gewohnt; also weiter gegen den S bis SW Sturm Richtung TSS off
Ouessant.
Hier standen wir gestern, 24.10. etwa um 20 Uhr an einem Wegpunkt 50 sm NW’l
der Insel Ouessant: SW Dünnung etwa 6 m Höhe, S-Wind 7 bis 8 (ausnahmsweise
mal strahlender Sonnenschein).
Die See gibt ein grossartiges Bild ab.
Biskaya, wir sind da! Noch 380 Meilen auf direkten Weg nach
La Coruña.
Der Zeitplan drängt inzwischen gewaltig; es fehlen uns die 3 Tag
„Vorprogramm“. Wir müssen spätestens Donnerstag, den 28.10. abends dort
sein.
Die alten Segelschiffskursempfehlungen (bis 10° W fahren und
dann auf südliche Kurse gehen) brauchen wir dank Erna (siehe unten) nicht
unbedingt zu beachten. Unmittelbar nach Süden ? – das bringt erst was, wenn
Wind und Seegang nachlassen werden - vielleicht Montag oder Dienstag.?
Erna leistet gegen Wind und Welle mit der stoischen Ruhe
einer lebenserfahrenen älteren Dame bewundernswerte Dienste. Sie schiebt das
Schiff mal schneller, mal furchtbar langsam vor sich her; doch gegen 9 Bft
und Gezeit langt die Puste dann doch nicht mehr. Tägliche Schminke,
aufmunternde Zurede, ein paar Liftings waren auch in diesen Tagen wieder
fällig. Wir sind uns einig: wir schlagen dem Verein vor, Erna zu adeln: Edle
Erna von Buckau-Wolf aus altem deutschen Schiffsmaschinengeschlecht. Das
stünde ihr gut und machte sie stolz!!
Die Crew hat sich hervorragend auf das Wetter, auf die
Bewegungen und Bocksprünge des Schiffes eingestellt. Wachdienst, Backschaft
und Reinschiff erfordern viel Kraft, akrobatische Leistung und eigentlich
Saugnäpfe an Füßen und Händen. Bei unumgänglichen Arbeiten an Deck (nur mit
Sicherheitsgurt und Arbeitssicherheitsweste) füllt Rasmus unweigerlich den
Zwischenraum zwischen Körper, Ölzeug und Stiefeln.
Trotz unvermeidlicher Seekrankheit wird getan, was getan werden muss; und wo
es / wenn es wirklich mal nicht mehr weitergeht, springt ein anderer
kameradschaftlich ein. Toll ! Dabei ist die Stimmung immer noch gut und
locker – und Humor ist, wenn man trotzdem lacht!.
Es ist, als ob jede(r) wüsste, das er/sie angesichts der
geringen Besatzungsstärke unverzichtbar ist. - Und dann sehnen sich alle
auch noch nach der Mehrarbeit, die dann anfällt, wenn wir hoffentlich mal
segeln können.
Heute am 25.10. können wir seit späten Vormittag den Kurs
nach La Coruña direkt anliegen und machen bei Wetterbesserung und runder
Biskayadünung 5 und mehr Knoten. Endlich wird unsere
Durchschnittsgeschwindigkeit ein klein wenig verbessert.
Es grüßen all die armen Menschen an Land Volker P. und die
Roald-Crew
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